Institution als Landschaft. Heiner Goebbels’ „entfernte Verwandte“ in künstlerischer Zusammenarbeit und Ausbildung

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Benjamin Hoesch

Abstract

Wenn von der gegenwärtigen Theater- oder Opernlandschaft die Rede ist, ist damit meist die Möglichkeit des Publikums gemeint, aus einer Vielzahl distinkter, aber in sich erwartbarer institutioneller Angebote zu wählen. Nur wenige Künstler*innen haben versucht, Institutionen auch produktionsästhetisch als Landschaft zu begreifen, in der überraschende und dynamische Assoziationen ohne ein definierendes Zentrum möglich werden. Zu ihnen gehört Heiner Goebbels, der in seiner Arbeit komplexe Kompilationen von Genres, Stilen und Traditionen realisiert und dabei die unwahrscheinliche Zusammenarbeit verschiedenster Quellen, Produktionsorgane und Förderer organisiert. Zu seiner Verabschiedung von der Gießener Professur für Angewandte Theaterwissenschaft haben Mitarbeiter*innen eine Festschrift herausgegeben, die den Titel einer seiner Opern, Landschaft mit entfernten Verwandten, trägt und in Beiträgen zahlreicher Weggefährt*innen die enorme Heterogenität des Goebbelschen Netzwerks belegt.


Ausgehend von den vielfältigen Stimmen der Festschrift will der Beitrag dieses Netzwerk nachzeichnen, das sich gemeinsam mit Goebbels’ Texten über Ausbildung und Produktionsweisen als Alternative zu abgrenzenden Institutionen entwirft. Er versucht, das ästhetische Konzept der Landschaft (G. Stein, G. Simmel, H. Müller, Goebbels) auf die Beschreibung dieser institutionellen Neu-Formatierung zu übertragen. Goebbels Person besetzt darin kein Zentrum, sondern übernimmt vielmehr bewusst die Autor-Funktion (Foucault) stellvertretend für die produktive Dynamik in der Kreuzung der Existenzweisen von Technik, Fiktion und Wissenschaft (Latour), in dem künstlerisches Experiment und Institution einander auf paradoxe Weise voraussetzen und verunmöglichen (Menke).

Artikel-Details

Rubrik

Artikel

Autor/innen-Biografie

Benjamin Hoesch

Benjamin Hoesch studierte Theaterwissenschaft sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Mainz, Valencia und Tel Aviv. Seit dem Magisterabschluss 2013 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Mainz und begann zeitgleich das Masterstudium der Angewandten Theaterwissenschaft in Gießen. In Mainz war er Koordinator des Internationalen Promotions-Programms (IPP) „Performance & Media Studies“ sowie Mitbegründer der AG „Immersive Räume“ am Research Center of Social and Cultural Studies Mainz (SoCuM); in Gießen co-organisierte und -kuratierte er DISKURS 15 – Festival on Spatial Arts.

Künstlerisch arbeitet er etwa am Stadttheater Gießen und regelmäßig am Künstlerhaus Mousonturm, v.a. im Regieduo mit Gregor Glogowski. Die gemeinsamen Arbeiten zwischen Installation, Performance und Musiktheater wurden deutschlandweit und international zu Festivals eingeladen. Praktische Workshops und Szenische Projekte u.a. zu Rhythmus- und Lichtgestaltung leiteten sie an der Taiwan National University of the Arts und der Hogeschool voor de Kunsten Utrecht.

Seit März 2018 ist Hoesch wissenschaftlicher Mitarbeiter im Gießener Teilprojekt „Nachwuchsfestivals - Zwischen Event und der Suche nach neuen Formen“. Mit der dabei entstehenden Dissertation ist er zudem an das Giessen Centre for the Study of Culture (GCSC) angeschlossen. (Stand 2020)